Berichtsheft als Stundennachweis: Darf der Chef das verlangen?
Das Berichtsheft dient in erster Linie als Nachweis über die vermittelten Ausbildungsinhalte. Doch immer wieder kommt es vor, dass Ausbilder oder Betriebe das Berichtsheft auch zur Erfassung der Arbeitszeit nutzen möchten. Ist das zulässig? Und was ist der Unterschied zwischen dem Ausbildungsnachweis und der Arbeitszeiterfassung?
Die primäre Funktion des Berichtshefts
Laut Berufsbildungsgesetz (BBiG) ist der Zweck des Berichtshefts klar definiert: Es soll den sachlichen und zeitlichen Ablauf der Ausbildung dokumentieren. Das bedeutet, es soll nachweisen, was du gelernt hast und wann du es gelernt hast. Es ist ein pädagogisches Instrument und eine Voraussetzung für die Prüfungszulassung.
Die genaue Erfassung von Arbeitsstunden, Pausenzeiten oder Überstunden gehört nicht zur ursprünglichen Funktion des Berichtshefts.
Arbeitszeiterfassung: Eine Pflicht des Arbeitgebers
Unabhängig vom Berichtsheft ist jeder Arbeitgeber in Deutschland gesetzlich dazu verpflichtet, die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter systematisch zu erfassen. Dies wurde durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und ein darauf folgendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bestätigt.
Für diese Arbeitszeiterfassung müssen Betriebe ein eigenes, verlässliches System nutzen. Das kann eine elektronische Zeiterfassung (Stechuhr), eine Excel-Tabelle oder eine spezielle Software sein.
Darf das Berichtsheft trotzdem als Stundennachweis genutzt werden?
Jetzt wird es knifflig. Es ist nicht grundsätzlich verboten, die Arbeitszeiten im Berichtsheft zu notieren. Wenn der Betrieb es verlangt und es keine separate Zeiterfassung gibt, kann das Berichtsheft diese Funktion miterfüllen.
Allerdings gibt es dabei einige wichtige Punkte zu beachten:
- Es ersetzt kein offizielles System: Das Berichtsheft allein genügt oft nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine systematische Arbeitszeiterfassung. Es ist fehleranfälliger und weniger objektiv als ein elektronisches System.
- Klarheit für den Azubi: Für dich muss klar sein, dass die Angabe der Stunden im Berichtsheft der offiziellen Zeiterfassung dient. Insbesondere Überstunden müssen hier genau dokumentiert werden, damit du einen Anspruch auf Ausgleich (Freizeit oder Vergütung) hast.
- Fokus bleibt auf den Inhalten: Die Dokumentation der Ausbildungsinhalte darf nicht unter der zusätzlichen Aufgabe der Zeiterfassung leiden. Der pädagogische Zweck des Berichtshefts steht weiterhin im Vordergrund.
Was sollte ich tun, wenn mein Chef das verlangt?
Wenn dein Ausbilder von dir verlangt, deine Arbeitszeiten im Berichtsheft einzutragen, ist das zunächst einmal nicht zu beanstanden. Wichtig ist, dass du dies sorgfältig und ehrlich tust.
- Dokumentiere genau: Trage deine Anfangs- und Endzeiten sowie deine Pausen exakt ein.
- Überstunden vermerken: Notiere jede Überstunde und sprich mit deinem Ausbilder, wie diese ausgeglichen wird.
- Bei Unklarheiten nachfragen: Wenn es im Betrieb kein anderes System zur Zeiterfassung gibt und du unsicher bist, ob deine Rechte (z.B. bei Überstunden) gewahrt werden, sprich den Betriebsrat, die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) oder deine zuständige Kammer (IHK/HWK) an.
Fazit: Das Berichtsheft ist primär ein Ausbildungsnachweis, kein Instrument zur Arbeitszeiterfassung. Auch wenn es in der Praxis manchmal dafür mitgenutzt wird, entbindet das den Arbeitgeber nicht von seiner Pflicht, ein verlässliches System zur Zeiterfassung zu führen. Für dich als Azubi ist es wichtig, deine Zeiten korrekt zu dokumentieren, um deine eigenen Rechte, insbesondere bei Überstunden, zu wahren.